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Die Feuer von Pashupatinath

Veröffentlicht am 14.04.2018, 19:55 Uhr in Kathmandu, Nepal

Betreff: Sightseeing in Kathmandu 2


Vier Tage haben wir in Kathmandu noch Zeit, darin können wir die verbleibenden Sehenswürdigkeiten entspannt unterbringen. Wir beginnen mit dem Narayanhiti Royal Palace, in dem bis zur Absetzung des Königs im Jahr 2008 die königliche Familie wohnte. Man wird unter anderem durch die Gästezimmer geführt, in denen damals die Staatsgäste untergebracht wurden. Von einem Foto lächeln auch Roman Herzog und seine Frau herab, zusammen mit dem nepalesischen Königspaar. Und auch Queen Elizabeth und François Mitterrand waren schon da.

Der Reiz an diesem Palast liegt für mich so ein bisschen darin, dass er noch bis vor zehn Jahren als Königspalast diente, im Gegensatz zu den meisten Schlössern in Europa. So besichtigen wir auch die Örtlichkeiten, an denen der Kronprinz im Juni 2001 der gängigen Darstellung nach seine halbe Familie, inklusive König und Königin, in einem Massaker erschoss, weil seine Eltern mit der von ihm auserwählten Braut nicht einverstanden waren. Die Einschusslöcher in den Wänden sind nach wie vor sichtbar. Nach dem Massaker schoss er sich selbst in den Kopf und fiel in ein Koma. Er wurde anschließend dennoch gemäß der Thronfolge zum König ernannt, ein Amt, dass er drei Tage innehatte, bis er den Folgen seiner Schussverletzung erlag und sein Onkel den Thron bestieg.

Am Nachmittag gehen wir zum Durbar Square, dem Platz vor dem älteren Königspalast, auf dem auch ein Haufen Tempelgebäude stehen oder besser gesagt standen, denn die meisten sind dem Erdbeben 2015 zum Opfer gefallen und bisher nicht wiederaufgebaut worden. Der Platz kostet für Ausländer acht Euro Eintritt und wir beschränken uns darauf, ihn nur von außen anzuschauen, was einigermaßen gut geht. Die noch stehenden Gebäude haben lange Risse in der Fassade, überall liegen die Überreste der ehemaligen Gebäude herum: Meterhohe Backsteinhaufen.

Ohne Eintrittsgebühr kommen wir in das Kumari-Haus am Durbar Square. Hier lebt ein Mädchen, das als lebendige Inkarnation der Hindu-Göttin Taleju angesehen wird. Sie wird erwählt und muss dafür 32 Bedingungen wie zum Beispiel Furchtlosigkeit erfüllen. Sie darf das Haus nur an bestimmten Feiertagen verlassen und hat eingeschränkten Kontakt zu ihrer Familie. Spätestens mit Beginn der Menstruation verliert sie diesen Status und es wird ein neues Mädchen auserwählt. Ab und zu zeigt sich das Mädchen am Fenster, doch wir waren nur kurz dort und haben es nicht gesehen.

Am zweiten Tag teilen wir uns auf: Valentin besucht den Boudhanath Stupa, über die ich schon im Bericht Nepalesische Konfliktbeilegung berichtet habe. Ich miete einen Roller, fahre damit erst auf einen Berg mit Übersicht über das Kathmandu-Tal und düse anschließend die große Ringstraße von Kathmandu entlang. 30 km einmal im Kreis um die Stadt, sowas wie ein Autobahnring, theoretisch zweispurig in jede Richtung, aber natürlich keine Autobahn, sprich keine bauliche Trennung der Fahrtrichtungen, es gibt Kreuzungen und Geschäfte am Straßenrand. Praktisch gibt's halt so viele Spuren, wie gerade gebraucht werden und Platz haben. Es gibt keine Ampeln, keine Verkehrszeichen, maximal mal ein Polizist regelt den Verkehr auf großen Kreuzungen; ansonsten fährt jeder wie er will und wie er kann. Es gibt Schotterabschnitte, das meiste ist aber ganz gut geteert. Also, ziemlich breite Straße, dichter und somit relativ langsamer Verkehr: Da kann man sich wunderbar von links nach rechts und wieder zurück schlängeln um so viele Autos wie möglich links wie rechts zu überholen. Immer geht es darum, zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Lücke zu witschen.

Wir treffen uns am späten Nachmittag bei Pashupatinath wieder, eine der wichtigsten Stätten des Hinduismus und Weltkulturerbe. Pashupatinath ist im Grunde eine Tempelanlage, wobei die eigentlichen Tempel nur von Hindus betreten werden dürfen. Berühmt ist Pashupatinath dafür, dass am Fluss, der durch das Gelände fließt, die Toten verbrannt werden.

Das rechte Flussufer besteht aus einer Treppe mit rund zehn Stufen. Am oberen Ende der Treppe liegt die Leiche auf dem Boden, als wir kommen, eingehüllt in ein gelb-orangenes Tuch. Auch das linke Flussufer besteht aus einer Art „Treppe“, deren „Stufen“ rund 1,50 Meter hoch und tief sind. Sie dient als Tribüne; wir gesellen uns zu dutzenden Nepalesen, die hinüber zur Leiche blicken.

Um die Leiche herum, werden immer wieder neue Räucherstäbchen entzündet. Schließlich wird der Leichnam hinab zum Fluss getragen, wo seine Füße, die nackt unter dem Tuch hervorgucken, mit dem Flusswasser gewaschen werden. Das Kopfende des Tuches wird umgeschlagen, sodass der Kopf freiliegt. Die Trauergemeinde formt einer nach dem anderen die Hände zu einer Schale, füllt diese mit Wasser und führt jenes zum Mund der Leiche. Anschließend wird der Leichnam auf einer Bambustrage rund einhundert Meter flussabwärts getragen, wo das Ufer von Steinpodesten gesäumt ist. Auf einem ist bereits ein Scheiterhaufen aus mehreren großen Holzscheiten errichtet, auf dem die Leiche abgelegt wird. Der älteste Sohn umschreitet fünfmal den Scheiterhaufen mit einer Fackel in der Hand und legt sie dann zwischen die Scheite am Kopfende. Die Leiche wird nun mit Stroh bedeckt und bald steht alles in Flammen. Vier Stunden dauert es angeblich, bis das Feuer erlischt und die Asche in den Fluss geschoben wird.

Die Nepalesen haben einen eigenen Kalender, ebenfalls mit zwölf Monaten, die jedoch stets in der Mitte unserer Monate beginnen. Dieser Kalender scheint so ein wenig parallel zu unserem verwendet zu werden; sämtliche Daten auf Tickets usw. sind in unserem System angegeben, dennoch sehen wir in Büros und Geschäften auch viele Kalender nach nepalesischem System an der Wand hängen. Neujahr des Jahres 2075 ist am 14. April 2018, also heute.

Wir besuchen an diesem Tag Bhaktapur, etwa zehn Kilometer östlich von Kathmandu. Die Innenstadt kostet für Touristen saftige fünfzehn US-Dollar Eintritt. Bhaktapur war bis ins 18. Jahrhundert hinein Hauptstadt eines eigenen Reiches und ist entsprechend reich an Kulturgütern. Die Altstadt scheint komplett aus rotem Backstein aufgebaut zu sein, inklusive der Straßenpflasterung. Die Fensterrahmen bestehen in der Regel aus sehr dunklem Holz und sind nicht selten durch Schnitzereien verziert. Es gibt einen Königspalast, die höchste Pagode des Großraums Kathmandus und einen Haufen Tempel. Vor einem der Tempel steht ein Schrein und davor liegt der abgetrennte Kopf eines Wasserbüffels, drapiert neben einer Blutlache und in Richtung des Schreins blickend. Daneben verbrennen Nepalesen Fleischspieße, vermutlich als Opfergabe.

Auf dem Hauptplatz Bhaktapurs ist eine Bühne aufgebaut und es werden Tänze zu Ehren des neuen Jahres aufgeführt. Der ganze Platz davor ist voll mit Leuten. Und die sind vermutlich alle aus Kathmandu mit dem Bus angereist. Mit unserem Bus. In den nepalesischen Bussen gibt es neben dem Fahrer immer auch eine Art Schaffner, der aus der Tür heraushängt, den Leuten am Straßenrand das Fahrtziel entgegenschreit und abkassiert. In diesem Fall war es auch seine Aufgabe, möglichst viele Leute in dem Bus unterzubringen. Immer wieder treibt er die im Mittelgang stehenden Leute in dem proppenvollen Bus enger zusammen und schafft so weitere fünf Stehplätze, was wir bereits drei Haltestellen zuvor nicht mehr für möglich gehalten hätten. Wir stehen ebenfalls im Mittelgang, ich mit leicht geneigtem Kopf, da die Busdecke ein paar Zentimeter niedriger als meine Körpergröße ist. Einmal muss ich mich auf Zehenspitzen stellen, damit eine junge Frau aus dem hinteren Busteil, die gerne aussteigen würde, beim Vorbeidrängen den Platz findet, ihre Füße abzustellen. Eine ältere Frau, die uns etwa bis zum unteren Ende des Brustbeins reicht, hält sich mit beiden Händen an Valentins T-Shirt fest. Nach ein paar Zustiegen wird sie etwas zu mir gedrängt und greift mit einer Hand um, hat nun auch mein T-Shirt in der Hand. Schließlich lehnt sie auch ihren Kopf an meinen Bauch und ihr roter Punkt auf der Stirn hinterlässt einen Abdruck auf meinem T-Shirt.

Den morgigen Sonntag werden wir mit Packen und im Garden of Dreams verbringen – einem gepflegten kleinen Park der durch hohe Mauern vom Tohuwabohu Kathmandus abgeschottet ist und somit eine Oase der Ruhe bildet. Ein kleiner Eintritt sorgt dafür, dass sich das Tohuwabohu nicht in Form von Menschenmassen auch im Park niederschlägt. Dort werden wir warten, bis es Zeit ist, zum Flughafen aufzubrechen, um unseren Flug EK2156 zu erwischen, dessen Start um 19:20 Uhr geplant ist. Nach einem rund fünfstündigen Aufenthalt in Dubai, steigen wir um 03:45 Uhr nachts in den Flug EK043, der am Montag früh planmäßig um 08:50 Uhr in Frankfurt landen wird.



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