Home > Nepal 2018

< Nepal 2018 Berichte/Bilder Statistik
< Vorheriger Bericht < Übersicht > Nächster Bericht >


Im Chitwan-Nationalpark

Veröffentlicht am 12.04.2018, 08:57 Uhr in Kathmandu, Nepal

Betreff: Chitwan-Nationalpark, Fahrt Chitwan-Nationalpark – Kathmandu


Es ist 05:48 Uhr, als wir von „Rhino, Rhino“-Rufen geweckt werden. Der Kellner rennt im Innenhof unserer Lodge umher und schmeißt die Gäste aus ihren Betten – gut, das sind eigentlich nur ein britisches Pärchen und wir. Wir schnappen uns die Kamera und rennen, angezogen von dem Enthusiasmus, der in den Rufen des Kellners liegt, nach draußen. In Nachbars Garten steht ein Nashorn aus dem angrenzenden Nationalpark, das unserem Dorf einen Besuch abgestattet hat. Wir bestaunen es von der Straße aus zusammen mit rund zwanzig Nepalesen, viele davon Kinder. Keine zehn Meter entfernt frisst der Koloss an einem Strauch. Was für ein Glück wir doch haben, denken wir uns; wir fragen den so begeisterten Kellner, wie oft das vorkommt, dass ein Nashorn hier mitten im Dorf steht. „Och, die kommen eigentlich jede Nacht, um das Maisfeld zu plündern“, meint er grinsend.

Der Chitwan-Nationalpark liegt ganz im Süden Nepals, an der Grenze zu Indien. Vom Himalaya, mit seinen gigantischen Bergen, merkt man hier wenig; das Land ist flach, das Klima ist subtropisch, der Wald ist Regenwald. Berühmt ist der Nationalpark vor allem für die Nashörner und den Bengalischen Tiger, wobei die Wahrscheinlichkeit dafür, einen Tiger zu sehen, sehr gering ist.

Unsere Safari beginnt mit einer Kanufahrt; zusammen mit den Briten und unserem obligatorischen Guide sitzen wir in einem Kanu, das von einem Ruderer angetrieben wird, der hinten auf der Kanubordwand steht. Gemächlich treiben wir den Fluss hinab, vorbei an ein paar Krokodilen, die bewegungslos am Ufer liegen. Vom Fluss aus sehen wir vor allem Vögel, darunter einen Kormoran, einen Storch, mehrere Eisvögel, kleinere Papageien und Bienenfresser.

Nach einer dreiviertel Stunde legen wir an und laufen zwei Stunden lang durch den Regenwald zurück. Bevor wir losgehen, erklärt uns der Guide, wie wir vor welchen Tieren wegrennen müssen; vor den wenigen wilden Elefanten einfach so schnell wie möglich; vor Nashörnern im Zig-Zack-Kurs; vor Bären gar nicht, die hält er mit seinem Stock in Schach. „What about tigers?“, fragt die Britin. „If you meet a tiger, you just pray.“ Außerdem könne man im Notfall auch immer auf einen Baum klettern. Ich schaue mich um und mustere die Bäume, aber ich finde keinen, bei dem ich mir vorstellen könnte, im Verfolgungsfall mal eben schnell hochklettern zu können.

Man gewöhnt sich schnell an die latente Gefahr, der Wald an sich ist nicht besonders beängstigend. Aber er sieht tatsächlich ein bisschen so aus, wie man Regenwälder aus dem Fernsehen kennt. Und abwechslungsreich ist er auch: Wir laufen von dichtem Wald, wo wir links und rechts das Gebüsch streifen, auf weitläufige Lichtungen, die mit knapp zwei Meter hohem Elefantengras bewachsen sind. An Tieren sehen wir einen Pfau, Affen in den Baumkronen sowie viele große rote Käfer. Einmal raschelt es gewaltig im Gebüsch, vielleicht zwanzig Meter entfernt; ich sehe nichts, doch die anderen haben wohl zwei davonrennende Rehe ausgemacht. Aber wir stehen nicht plötzlich direkt vor einem Nashorn, wie wir es in ein paar Erfahrungsberichten gelesen haben. Dieser Nervenkitzel bleibt uns leider verwehrt. Die Flora, die Landschaft, war beim Wandern beeindruckender als die Fauna.

Am Nachmittag haben wir noch eine knapp vierstündige Jeep-Safari im Programm. Auf die Ladefläche eines Pick-up-Geländewagens passen drei Sitzreihen à drei Plätze. Mehrmals erkennt der Guide in der Ferne ein Nashorn und bringt den Jeep zum Stoppen, sodass wir nach dem grauen Fleck im grünen Gras Ausschau halten können. Ein, zwei Mal sehen wir auch ein Nashorn, dass direkt neben der Straße in einem Tümpel liegt. Zudem gibt es wieder Rehe, Pfaue, weiße Affen und einen ziemlich großen Leguan, der neben der Straße an einem Baum hängt. Das Highlight waren sicherlich zwei Nashörner, die wieder erst nur in der Ferne als graue Flecken zu erkennen waren, die sich dann aber gegenseitig in Richtung Straße gejagt haben. In vollem Lauftempo verfolgte der eine den anderen rund hundert Meter vor uns über die Straße. Kurz darauf haben sie sich beide zu unserer Rechten in einem Tümpel von der Verfolgungsjagd erholt; einer der beiden blutete leicht am Hinterleib.

Das war natürlich schon ein Ereignis, aber davon abgesehen würde ich fast sagen: Allein wegen der Tiere geht man besser in den Zoo. Da sieht man die in größerer Anzahl, Vielfalt, Nähe. Im Nationalpark verbringt man einfach sehr viel Zeit damit, keine großen Tiere zu sehen, da sollte man sich schon auch für den Wald an sich begeistern können. Zum Beispiel für die Geräuschkulisse der vielen Vögel. Das wäre vielleicht etwas Anderes gewesen, wenn wir wirklich das Glück gehabt hätten, bei der Wanderung mal einem Nashorn von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Aber der Unterschied, Tiere von einem Jeep aus oder durch einen Zaun hindurch zu beobachten, ist eher gering.

Am Abend steht noch „Cultural Dance“ auf dem Programm und wir sitzen mit Dutzenden anderen Touristen, die den Tanz nicht unbedingt sehen wollten, sondern anwesend sind, weil er im All-Inclusive-Package gebucht wurde, in einer Halle. Eine Frau in vermutlich traditionellen Gewändern betritt die Bühne und kündigt den ersten Tanz an – was wir jedoch rein aus dem Kontext schließen können. Wegen der Übersteuerung der Mikrofonanlage und ihrer Aussprache des Englischen verstehen wir absolut kein Wort. Ein Trommler betritt die Bühne und trommelt los, kurz darauf erscheinen ein Dutzend junge Frauen und bewegen sich im Kreis herum um den Trommler. Nach ein paar Minuten kommt der nächste Tanz an die Reihe und so weiter, wobei alle nach dem gleichen Muster – Trommler und im Kreis tanzen – verlaufen. Nur eine Vorstellung sticht heraus und übertrifft die anderen, die halbwegs seriös waren, an Albernheit bei Weitem: Ein als Pfau verkleideter Nepalese wiegt sich im Takt zu einer ziemlich kindischen Melodie. Er tänzelt nach links und rechts und übergibt mit seinem Schnabel zum Abschluss einer Frau in der ersten Reihe eine Rose. Ich hab mich noch nie so sehr als Club-Urlauber gefühlt.

Nach zwei Übernachtungen beim Chitwan-Nationalpark fahren wir mit dem Bus nach Kathmandu zurück. Die Straßen zwischen Pokhara, dem Chitwan-Nationalpark und Kathmandu sind durchgehend geteert und es gibt für jede Richtung eine eigene Fahrspur. Auch wegen eines Baustellenstaus, der uns mehrere Stunden Zeit kostet, brauchen wir für die 164 km vom Chitwan-Nationalpark nach Kathmandu trotzdem nicht weniger als elfeinhalb Stunden!

Obwohl geteert und mehr oder weniger schlaglochfrei, ist eine Fahrt auf diesen Straßen nicht mit einer Fahrt in Deutschland vergleichbar. Es sind Bergstraßen mit ständigen Steigungen und engen Kurven. Gleichzeitig sind es aber die besten Straßen, die Nepal zu bieten hat, und entsprechend ist der LKW-Anteil immens. Die stets kurios bunt geschmückten, indischen Tata-LKW haben sichtlich mit den Steigungen zu kämpfen – mehr noch, als die indischen Tata-Busse, in denen wir sitzen. Also gilt es dem natürlichen Instinkt des Menschen folgend, die LKW zu überholen, wobei sich wiederum die vielen engen Kurven als problematisch herausstellen.

Mit derlei Herausforderungen konfrontiert wählt der Nepalese folgende Taktik: Wann immer gerade kein Gegenverkehr in Sichtweite ist (auch wenn diese keine zehn Meter beträgt): Ansetzen zum Überholmanöver! Sollte plötzlich Gegenverkehr auftauchen, kann man immer noch in die Eisen steigen und wieder hinten einscheren. Ist der Überholvorgang beim Auftauchen des Gegenverkehrs bereits relativ weit fortgeschritten, ist es offenbar auch vollkommen akzeptiert, wenn der Gegenverkehr fast bis zum Stillstand abbremsen muss, um die Beendigung des Überholens zu ermöglichen. Selbstverständlich muss der Überholvorgang stets mit einem andauernden Hupton begleitet werden.

Um vom ständigen Hupen nicht den Verstand zu verlieren haben sich die Nepalesen witzigerweise Hupen eingebaut, die nicht einfach einen durchgehenden Ton (wie in Deutschland vorgeschrieben) erzeugen, sondern kurze Melodien ertönen lassen. Diese Melodie ist auch bei jedem Fahrzeug unterschiedlich und wir haben sowohl einfachere zweitönige Melodien erlebt, wie auch deutlich ausgefallenere und kreativere Kompositionen.



< Vorheriger Bericht < Übersicht > Nächster Bericht >
Die Bildergalerie basiert auf Fancybox, lizensiert unter GPL-3.0-only.
Alle Texte, Bilder und Grafiken auf dieser Website sind lizensiert als CC BY-NC-SA, Persönlichkeitsrechte vorbehalten. Details dazu im Impressum.