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Beim Kloster Noul Neamt, Transnistrien

Veröffentlicht am 25.09.2016, 13:51 Uhr in Odessa, Ukraine

Betreff: Chisinau – Odessa, Moldawien/Transnistrien/Ukraine


Wir verbringen die Nacht am Flughafen, von wo aus meine Tour-Partnerin früh morgens zurück nach Deutschland fliegt. Ich fahre vom Flughafen direkt weiter in Richtung Tiraspol, Transnistrien. Obwohl ich schon nachmittags dort ankomme, mache ich nicht mehr viel; ich bin vor allem damit beschäftigt, die Einreiseformalitäten abzuschließen (siehe den gesonderten Bericht). Aber ich bleibe auch den nächsten Tag in Tiraspol.

Transnistrien, der mehrheitlich von Russen oder zumindest Russischsprachigen bewohnte de facto eigenständige Landesteil Moldawiens, soll laut Reiseführern ein gutes Bild der ehemaligen Sowjetunion abgeben. Nunja, teilweise, so mein Fazit. Es gibt Lenin-Statuen und die Straßen und Plätze sind nach sowjetischen Personen benannt. Die Uniformen der Grenzbeamten sind sehr militärisch. Das Regierungsgebäude ist so ein typischer, sowjetischer Prachtbau: Beeindruckend groß und hässlich. Aber es ist eigentlich das einzige Gebäude in diesem Stil. Und es fahren auch nicht mehr sowjetische Autos und LKWs rum, als schon im übrigen Moldawien. Vor allem in diesem Punkt hatte ich mir etwas mehr erhofft.

Bei meiner Einfahrt nach Tiraspol (also innerhalb Transnistriens) fahre ich an einem Militärposten vorbei, tarngrünes Zelt, darunter ein Panzer und ein paar Soldaten mit Gewehren davor. Die Autos kontrollieren sie nicht, aber mich winkt man heran. Der Soldat hat eine russische Flagge am Ärmel – einer der russischen Soldaten, die nach wie vor in Transnistrien stationiert sind. Offensichtlichen fragt er mich aber mehr aus Interesse, was ich hier mache, und nicht, weil es seine Aufgabe wäre. Ich erzähle wo ich herkomme und hinwill und er lässt mich fahren. Auch er scheint Deutschland sympathisch zu finden.

Während meines Ruhetages in Tiraspol fahre ich auf den Tip des Hostels hin die acht Kilometer nach Kitskany und zum dortigen orthodoxen Kloster. Man könne den dortigen Turm besteigen. Ich betrete den Klostergarten, in dem ein paar ältere Herren (keine Mönche, aber Mönche laufen auch rum) sitzen. Man bittet mich um ein wenig Geld. Ich will auf christlichem Gelände keinen schlechten Eindruck machen und gebe einem der Leute zwei transnistrische Rubel. Ich schaue mir die Kirche von innen an und beim Rausgehen bittet mich auch der dortige Mönch um eine Spende. Okay, ich gebe drei Rubel. Sie nehmen es mit einem freundlichen Schulterzucken, das wohl bedeutet, dass ich es bei dem geringen Betrag auch hätte bleiben lassen können. Von leicht schlechtem Gewissen geplagt stecke ich später noch zehn Rubel in ein Spendenkästchen. Die Tür zum Turm ist verschlossen und ich frage, ob ich da hochdarf. Der Mönch zuckt nur mit der Schulter. Ich frage einen anderen, anscheinend den „Chef-Mönch“ (vielleicht der Abt?) und der spricht mit dem anderen Mönch und gebietet mir zu warten. Dieser geht weg und erst dachte ich, er holt den Schlüssel, aber dann gießt er nur die Blumen und macht keine Anstalten, mir irgendwie zu helfen. Da spricht mich der Bettler wieder an, dem ich vorhin die zwei Rubel zugesteckt habe. Er fragt mich gestikulierend, ob ich auf den Turm hoch will. Ich nicke. Er reibt mit schelmischem Grinsen seinen Zeigefinger am Daumen. Okay, dann zahle ich eben Eintritt. Er schafft es schließlich mit seinem Russisch, den Mönch dazu zu bringen, mir aufzuschließen. Ich steige den Turm hoch. Es geht auf einer dünnen, fragil aussehenden Metalleiter mit fingerdünnen Sprossen immer höher und höher. Erst an den kleinen und großen Glocken vorbei und schließlich ganz oben zum Taubennistplatz. Die Aussicht ist tatsächlich nicht schlecht. Ich steige wieder herab und gebe dem Mann für seine Bemühungen fünf Rubel. Er bedankt sich mit einer sehr herzlichen Umarmung.

Insgesamt zwanzig transnistrische Rubel habe ich beim Kloster liegen lassen. Und die Tatsache, dass mich der Gedanke, dass das nur lächerliche 1,30 Euro sind, eher beruhigt, als mir ein schlechtes Gewissen bereitet, bereitet mir wirklich ein schlechtes Gewissen.

Am nächsten Morgen verlasse ich Tiraspol und mache mich ein letztes Mal auf den Weg. Hundertzehn Kilometer sind es bis Odessa. Und die fahre ich überwiegend auf der Hauptstraße, die Odessa mit Tiraspol und Chisinau verbindet. Die Strecke ist stinklangweilig, immer geradeaus und meistens sogar mit dichtem Buschwerk direkt links und rechts neben der Straße. Dafür, dass es die Hauptstraße zwischen diesen Städten ist, hält sich der Verkehr wenigstens noch in Grenzen. Die Aus- und Einreise verläuft komplikationslos. Allerdings ist die Straße in der Ukraine in deutlich schlechterem Zustand als in Transnistrien. Der Wind wiederum weht in die richtige Richtung und ich erreiche Odessa schon um 15:30 Uhr.

Und Odessa ist eine wirklich stimmungsvolle und für diese Größe auch sehr gemütliche Stadt. Überall spielen Straßenmusiker, in einem Park tanzen die Leute dazu. Kinder spielen Basketball und fahren mit Skateboards durch die Grünanlagen. Die Bäume sind mit Lichterketten geschmückt, die Straßenlaternen vom Stil aus den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts und überall wird an winzigen Ständen Kaffee verkauft – da hat zum Beispiel ein Smart eine professionelle Kaffeemaschine, Becher und Sirups im Kofferraum und bietet sämtliche Kaffee-Varianten an, die man auch in Cafés bekommt.

Nachher fahre ich mit dem Zug nach Chisinau zurück, um dann am 28.09. von dort den Heimflug anzutreten.



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